Grippe und das Chaos

Wie greift eigentlich eine Erkältungswelle um sich?

Diese triviale Frage stellte sich vor einiger Zeit der Mathematiker Feigenbaum und kam zu einigen nicht ganz so trivialen Ergebnissen. Er betrachtete eine handelsübliche Menge von Kindern in einem Kindergarten, die nach und nach von einer Grippe (Masern, Mumps, etc.) angesteckt werden. Er erstellte eine mathematische Formel, mit der man die Zahl der erkrankten Kinder berechnen kann:

f(p) = p + k * p * (1 - p)

In dieser Formel steht p für den Anteil der bereits erkrankten Kinder (also 1 - p für die noch Gesunden), k steht für den Ansteckungsfaktor (die Wahrscheinlichkeit einer Infektion). Diese Formel wird nun rückgekoppelt, d.h. das Ergebnis f(p) vom ersten Tag ist der Startwert für p am zweiten Tag. Für den ersten Tag nimmt man einen Wert > 0, in meinem Beispiel 30% für p an.

In dem obigen Applet werden von links nach rechts die Werte von 1,8 bis 3 für k durchlaufen. Die Ergebnisse für p sind in der Senkrechten aufgezeichnet, unten ist die Grenze 0, oben 1,4. Es werden 1000 Iterationen (Tage) durchlaufen, von denen die ersten 400 nicht aufgezeichnet sind, um Einpendeleffekte zu unterdrücken.

Für kleine Werte von k ist die Entwicklung von p erwartungsgemäß eine Sättigungskurve. Zunächst grassiert die Ansteckung, nach und nach sind alle Probanden krank geworden. Steigert man k nun über einen gewissen Wert, so geschieht etwas Überraschendes, das über das einfache Modell 'Kinder erkranken an Grippe' hinausgeht.

Plötzlich werden mehr als 100 Prozent der Personen krank! Eine weitere Überraschung ist, dass die Funktion für größere k-Werte nicht mehr stetig ist. D.h. die Anzahl p springt am rechten Bildrand unregelmäßig zwischen einem Minimal- und Maximalwert hin und her. Dieses Chaos kündigt sich bei den mittleren k-Beträgen an. Man sieht, daß ab einem k von etwa 1,9 p zwischen zwei Werten pendelt. Diese Spaltung nennt man Bifurkation. Etwas später spalten sich diese Stränge wiederum in jeweils zwei neue auf, u.s.w.

Sehr interessant sind die senkrechten Bänder, in denen sich das Chaos zeitweise zu wenigen Strängen bündelt, um sich kurz darauf wieder in Bifurkationen zu zertreuen.

Um einzelne Bereiche besser betrachten zu können, kann man mit der Maus einen rechteckigen Ausschnitt markieren und mit dem Knopf 'Zoom' vergrössern. Vergrössert man zu stark, so werden an einigen Stellen die Einpendeleffekte sichtbar.

Fazit:
Normalerweise ist einer Krankheit ja nichts Positives abzugewinnen, aber in diesem Fall gilt der Spruch meiner Oma: 'Jung, do weiss nie woför et joht ess!'